Review 1
Nach der Wetterwende
Eine Enttäuschung: Sophia im Columbiafritz
Sophia gehören zu den meistgefeierten Popkritikerlieblingen dieser
Saison; ihr neues Album "People Are Like Seasons" (Berliner
Zeitung v. 6.1.2004) mischt in nicht uninteressanter Weise melancholischen
Gitarrenfolkrock und elektronisch erzeugten Industrialkrach. Das allenthalben
freudig erwartete Konzert, das sie am Sonntag im ausverkauften Columbiafritz
gaben, war jedoch eine herbe Enttäuschung: Wo die LP durch die
hörerfreundliche Verpoppung avantgardistischen Geräuschguts
erfreut, blieb live nur das hörerfreundlich Pophafte übrig
- und das, wie in einem mittelmäßigen Folkrock-Konzert,
profillos gesäuselt und indifferent inszeniert.
Es wäre dabei für sich genommen ja nicht so schlimm, dass
Robin Proper-Sheppard keine Bühnenpräsenz besitzt und keine
interessante Frisur. Er sieht aber nicht nur nicht besonders gut aus,
er kann - wie sich live und ohne Hallhüllen zeigte - auch nicht
besonders gut singen. Selbst seinen kleinen Hit "Oh My Love",
das bis dato schönste Mitsummstück dieses Winters, hat er
live völlig vergeigt: zu langsam, zu drucklos, durchweg gegen
die Melodielinie gesungen. Wie das gesamte Konzert: vollständig
neben der Spur.
Jens Balzer (24/02/2004, Berliner Zeitung)
Review 2
Der Abend begann recht pünktlich gegen 21 Uhr mit der Vorband
Jansen, einem lustigen Duo aus Berlin, die eine Gitarre, einen Kontrabass
und einen mit Leuchtketten behängten Sonnenschirm mitbrachten.
Musikalisch bewegte sich die Band zwischen Blues, Jazz und Rock. Inhaltlich
ging es in den Songs wohl um Liebe und das Leben und überhaupt,
obwohl auf Deutsch gesungen wurde, ließen sich aus dem Genuschel
des Sängers nur einzelne Satzteile heraus hören. Das zahlreich
erschienene Publikum war anfangs etwas irritiert, was die zwei gauzigen
Kerle da auf der Bühne veranstalteten, war aber spätestens
beim dritten Song, der etwas rockiger war und zu dem sich der Sonnenschirm
blinkend drehte, recht angetan. Irgendwann jedoch verlor auch der
Sonnenschirm seinen Reiz und die Songs begannen sich zu ähneln.
Die Gespräche wurden lauter und man sehnte den Auftritt der Band
herbei, wegen der man eigentlich gekommen war.
Als Robin Proper Sheppard dann schließlich gegen 21.45 Uhr,
wie immer ganz in schwarz gekleidet, die Bühne betrat bedeutete
dies aber keinesfalls den Beginn des Konzerts. Ohne das Publikum eines
Blickes zu würdigen sortierte er seine Instrumente und fuhr den
mitgebrachten Laptop hoch. Aus seiner Hosentasche zauberte Robin ein
buntes Plastikarmband von seiner Tochter hervor, das er am Mikro-Ständer
befestigte. Dann verschwand er wieder hinter der Bühne um kurz
danach endlich gemeinsam mit seiner Band das Konzert zu beginnen.
Das Set begann mit dem sehr ruhigen Song "I Left You" von
der neuen Platte, es folgten weitere langsame Songs von allen vier
Sophia Alben. Das Publikum lauschte der Musik recht unbeteiligt, erst
bei "Desert Song No.2" tauten die Leute langsam auf. Der
Song schien nicht enden zu wollen, der bisher eher unterbeschäftigte
Drummer gab alles und ein Mutiger sprach aus was alle dachten: "That
sounds more like God Machine style!" Diese Äußerung
quittierte Robin indem er sie nach äffte und ohne weitere Kommentare
den nächsten Song anstimmte. Als jedoch später jemand wagte,
sich einen Song von The God Machine zu wünschen, wurde Robin
schon deutlicher "No, we only play nice things now." Als
sich darüber jemand lautstark beschwerte wurde Robin unhöflich,
"You can leave if you want to" und "I have to talk
to my daughter this way". Als Zugabe gab es noch "Oh My
Love" und "If A Change Is Gonna Come", wobei bei diesem
Song auch die Band und Robin etwas auftauten. Nach etwa 1 ¼
Stunden war das Konzert dann auch vorbei.
Insgesamt hinterließ das Konzert bei mir einen etwas bitteren
Nachgeschmack. Natürlich muss man akzeptieren, dass Robin Proper
Sheppard nach dem Tod des Bassisten keine Songs mehr von The God Machine
spielen will, aber das zahlende Publikum derart anzufahren? Die langsamen
Songs von Sophia waren ohne Gefühl daher gesungen, die Band wirkte
über weite Strecken des Sets gelangweilt und Robin hatte kaum
ein nettes Wort für das Publikum übrig. Sich die Arroganz
eines Liam Gallaghers zu leisten, das muss man sich erst mal verdienen.
Annette B. (www.britpoparsenal.de)
Review 3
Sophia - gelacht wird woanders
Während
ganz Deutschland Karneval feiert, gibt es in Berlin ein Konzert am
offenen Grab. Robin Proper-Sheppard
und die Seinigen kamen als Band formiert mit dem Namen Sophia in das
kleine ColumbiaFritz. Doch bevor es richtig depressiv wird betritt
zunächst ein ebenfalls alter bekannter die Bühne. Markus-Maria
Jansen, ehemals Co-Frontmann von M. Walking On The Water gab begleitet
durch einen Kontrabass-Spieler und einem Apple-Computer seine Stücke
zum Besten. Wie schon zu M. Walking-zeiten war auf der Bühne
wesentlich mehr Spielfreude zu verspüren als auf einem schnöden
Album. Zu Recht erhielt er daher auch den ihm zustehenden Applaus.
Musikalisch war es ganz eindeutig als M. Walking singt deutsch
einzuschubladisieren.
Dann gings
aber richtig los. Nachdem die Band einen kurzen Soundcheck noch selbst
vorgenommen hatte kam man drei Minuten später auch schon wieder
auf die Bühne und eröffnete diesen Abend mit dem schon euphorisch
klingenden Stück I Left You, ich würde sagen
mein Lieblingsstück der neuen Scheibe. Es folgte ein Querschnitt
durch die achtjährige Schaffenszeit. Nach der Auflösung
der Band The God Machine im Jahre 1995, aufgrund des Todes
eines Bandmitgliedes und einer sich anschließenden tiefen depressiven
Phase Sheppards gründete er die Band Sophia, die sich in fünfköpfiger
Besetzung zeigte. Hierzu zählten neben Jeff Townsin an den Drums,
sowie Will Foster am Bass (der sehr, sehr schwer, tief und wuchtig
daherkam) auch der in jedes Stück integrierte Piano-Man Will-Foster.
Hinzu kam noch ein mir unbekannter Gitarrist und ein Teilzeit-Keyboarder
(der für zwei Stücke randurfte und sonst für die Technik,
den Devotionalienstand und alles andere zuständig ist).
Die Band harmonierte
wunderbar und schwang sich von einem Moll zum anderen. Immer wieder
gab es geradezu hypnotisierende Melodiebögen, die mit der Zeit
immer lauter wurden, wobei die Verzerrer aufs Äußerste
aufgedreht und zusätzlich noch mit Hall unterlegt wurden und
dennoch ging die Melodie nie verloren. Schlussendlich kehrte man stets
wieder zum Hauptmelodiethema zurück und befand sich von 100 auf
0 wieder in einem Akustik-Set. Die ca. 800 Besucher waren völlig
aus dem Häuschen. Interessant in diesem Zusammenhang war auch
die Geräuschkulisse während der Songs, denn man konnte sprichwörtlich
die Stecknadel fallen hören (im akustischen Teil).
Mit viel Applaus
ging es in die Zugaben. Die erste war dann auch gleich mit So
Slow das Stück, welches mich überhaupt im Jahre 1996
zu dieser Band geführt hatte
also ein persönlicher
Knaller.
Aus dem Publikum war der Riversong gewünscht worden, ein Stück
aus der Anfangszeit der Gruppe. Sheppard sagte nur trocken, dies sei
ein Stück einer früheren Sophiabesetzung und man würde
heute eher akustische Stücke spielen. Grund genug für ihn
dieses Stück dennoch als zweite Zugabe zu spielen und es ging
mit einer Wucht durch die Boxen und von da aus direkt in den Saal,
dass ich es nicht beschreiben kann. Hinzu kommt noch, dass der bis
dahin Piano spielende Foster plötzlich Bass Gitarre spielte und
die Saiten dabei mit dem Drumstick malträtierte So einen Liedvortrag
habe ich bisher selten gehört.
Das Publikum (da schienen mir doch sehr hartgesottene Kenner dabei
zu sein God Machine T-Shirts wurden gesichtet die schon
sehr alt sein müssen), von diesem harten Schritt
in die Vergangenheit fast erschrocken, klatschte sich fast die Hände
ab und stampfte mit dem Füßen auf den Boden um noch mehr
zu hören. Sheppard kam noch einmal raus und brachte das absolute
Gegenstück zum Riversong zu Gehör, dass nur von ihm selbst
auf der Akustikgitarre gespielte und ins Mikro gehauchte Another
Trauma. Dann war nach einer Stunde und vierzig Minuten alles
vorbei.
Das Merchandising
der Band beschränkte sich rein darauf, die kaum erhältlichen
CDs der Band (bei ebay pro Stück nicht selten zwischen
30 und 40 Euro für die alten Scheiben) an den Mann zu bringen.
So wurde an diesem Abend auch die letzte noch in Besitz befindliche
Live-Scheibe De Nachten verkauft, sowie unzählige
der Versionen der ersten beiden Werke. Ich habe selten so viele Leute
nach einem Konzert CDs kaufen sehen (Stückpreis 15 Euro).
Sheppard erschien
dann noch selber am Stand und wer wollte durfte sich seine Exemplare
unterschreiben lassen. Gut, meine standen allesamt zu Hause, so habe
ich ihm zumindest mein Ticket an diesem denkwürdigen Abend vorlegen
können.
Wer es irgendwie
ermöglich kann, sollte sich die Jungs noch anhören. Wenn
jemand dort hingeht und seine gegenwärtige Beziehung ist nicht
so ganz krisenfest, dann dürfte es nach diesem Abend übrigens
ganz vorbei sein
machen wir uns nichts vor, die Texte sind
eindeutig.
Mahony, neon-magazin.de
Setlist
I left you
If only
Happy now
Fool
Desert Song No.2
Every day
Oh my love
Ship in the sand
Swept back
Woman
Within without
The Sea
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So slow
River Song
If a change is gonna come
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Another trauma
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