Review
[noch nie zuvor ist ein konzert so unterschiedlich diskutiert worden
wie jenes von sophia letztes wochenende im schlachthof. die meinungen
reichten von "schlechten tag erwischt", "total schwaches
konzert" über "schlecht gelaunte musiker muss ich mir
nicht unbedingt geben". "was für ein mieses publikum"
bis "aussergewöhnlicher konzertabend"]
ein paar gedanken dazu aus dem hause:
grundsätzlich finde ich es schon mal gut, wenn konzerte nicht
so verlaufen, wie man sich das 1. erwartet und 2. erwünscht und
erhofft.
so gesehen war der auftritt von "sophia" ein voller erfolg,
denn wann erlebt man schon (jetzt mal abgesehen davon, dass überraschenderweise
auch eine vorband auf der bühne stand, mit der niemand rechnen
konnte, weil das niemand - auch wir nicht - gewusst hat. eine nette
überraschung fürwahr, denn "jansen" als neben-
oder nachfolgeprojekt von m. walking on the water waren wirklich nett,
auch optisch), dass eine band/ ein musiker nach 20 sekunden seinen
eröffnungssong abbricht, aufhört zu spielen und einen, zugegeben
netten dialog beginnt mit den in der erster reihe rumlungernden kids,
die beim eben sehr ruhigen opener in einer lautstärke tratschten,
dass es hr. robin proper-sheppard einfach stören musste? eben
praktisch nie, weil pop- und rockkonzerte meistens dann doch bloss
routiniert heruntergespielt werden.
aus meiner sicht ging die unterbrechung völlig o.k., denn die
aufmerksamkeit und die bereitschaft des publikums zuzuhören waren
- das kann man gleich vorweg sagen - an diesem abend durchgehend recht
gering (bleibt festzustellen, dass das konzert ab diesem zeitpunkt
praktisch gelaufen war und unweigerlich seinen "unruhigen"
lauf nahm).
allerdings dauerte es nicht lange, bis ich ganz andere meinungen zu
hören bekam: z.b. die, dass es bei einem pop-rock-konzert keinen
oberlehrer braucht, der die kids und sein publikum ermahnt. so etwas
gehöre ins kabarett, dort verunsichert man auch die leute, um
am schluss zu sagen, dass eh alles ganz anders und recht nett gewesen
sei. ausserdem seien die songs und das auftreten der band von vornherein
nicht dazu angetan, sich in die herzen des p.t. publikums zu schleichen.
tatsächlich wurde die stimmung während des konzerts immer
angespannter. die kids wollten nach wie vor nicht ruhig bleiben (nur
auf die kids hinhacken gilt natürlich auch nicht) und proper-sheppard
legte sich mehr und mehr mit seinem publikum an. ob das nun berechnende
attitüde, verunsicherung oder tatsächlicher griesgram und
ärger war, blieb bis zuletzt einigermassen unklar. ich denke
schon, dass proper-sheppard ein wenig kokett mit seinem publikum spielt,
ihm den bösen mann mimt. und so gesehen trifft die kabarettisten-keule
ins schwarze. dass man es sich dabei mit teilen seines publikums "vertut"
ist klar und bleibt sozusagen kalkül.
noch ein wort zu den "störenfrieden": mir scheint,
dass viele leute probleme haben, jemanden wie z.b. einen eben auftretenden
sänger den nötigen respekt entgegen zu bringen, z.b jemandem,
der eben möchte, dass man ihm zuhört. für mich unverständlich,
dass viele der tratscher während des ganzen konzerts weiter tratschten,
trotzdem aber so getan haben, als wären sie voll dabei, so quasi:
stört mich eigentlich eh gar nicht, die band! eigentlich ist
es ja sogar recht nett und wenn's laut wird, find ich es sogar geil!
unverständlich für mich ausserdem, dass ich auf ein konzert
gehe, um mich dann vor der bühne mit meinen kolleginnen zu unterhalten.
das allein als desinteresse zu deuten wäre aber auch wieder falsch
(saufen dürfte dabei eine nicht unwesentliche rolle spielen).
bleibt die sache mit dem respekt und der tatsache, dass hin- und zuhören
scheinbar nicht gerade angesagt sind, hier vor allem bei den kids,
die sich ja auch nicht vorstellen können und wollen, welche arbeit
dahinter steckt, um so weit zu kommen, auf einer bühne zu stehen
und die eigene musik zu präsentieren, schliesslich funktioniert
doch heute alles auf knopdruck, steuerung-alt und rein ins universum
der unbegrenzten (schein)möglichkeiten. dort muss sich man auch
nicht unterhalten, das darf man dafür später beim konzert
nachholen.
ich möchte hier nur den versuch unternehmen, die stimmung einzufangen,
die bei diesem konzert geherrscht hat und gründe finden, warum
sie nicht gut war. man könnte ausserdem annehmen, dass es an
anderen orten genauso zugeht, wie bei diesem konzert im schlachthof.
wird schon auch so sein, allerdings bestätigten mehrere leute
aus dem sophia-umfeld, dass das auf der tour, die schon fast 20 tage
gelaufen ist, noch nie derartig massiv vorgekommen ist, und dass dieses
konzert schon ziemlich "weired" gewesen sei, und jedenfalls
nicht die wahre qualität von sophia aufgezeigt hat.
und das glaube ich gern!
Wolfgang Wasserbauer (Alter Schl8hof, 1/3/2004)
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