Review 1
Endlich geschafft: Sophia auch in Köln ausverkauft! Der Schritt
zur größeren Plattenfirma hat sich wohl doch ausgezahlt.
Robin Proper-Sheppard begrüßte das Publikum aber zunächst
mit einer jener Bemerkungen, derentwegen ihm zuweilen Arroganz unterstellt
wird, die eigentlich aber seinem durch diverse diesbezügliche
Erfahrungen geprägten zynischen Humor entsprungen sein dürften:
"Nachdem jetzt 'Oh My Love' in den Charts ist, haben die Leute
wohl alle bemerkt, dass Robin von The God Machine eine neue Gruppe
namens Sophia hat und diese so eine Art traurige Musik macht",
meinte er nämlich. Ein wenig Bitterkeit klang da schon mit, denn
Sophia gibt's ja immerhin seit ein paar Jährchen.
Zum Vorspiel waren zunächst mal die Freunde von Jansen geladen:
Auf dieser Tour angetreten mit einem Spar-Konzept, bestehend aus Vortänzer
Markus Maria Jansen, Bassist Philip Lethen (mit Apple-Computer) und
Alleinunterhalter Mr. Umbrella (Jansens wunderlichem Bühnen-Prop-Unikum).
Dargeboten wurde ein buntes Potpourri aus alten und neuen Hits. So
gab es z.B. auch die Premiere von Songs aus dem kommenden Album, das
"Für 10 Euro Nasse Hunde" heißen wird. Letztlich
funktionierte das alles ganz gut wenngleich man sagen darf,
dass eine Tonkonserve kein rechter Ersatz für die beiden Rest-Jansens
ist. Und dass Markus es schaffte, auch seine Gretsch-Gitarre wie ein
dem Klanguniversum der Jansens entsprungenes Trödelmarkt-Strammel-Instrument
klingen zu lassen, verdient durchaus die Be- und Verwunderung auch
gewiefter Gitarrenfreunde. Aber wie gesagt: Im Großen und Ganzen
war's wieder prächtig kurzweilig und spaßig.
Spaßig waren Sophia dann natürlich nicht direkt. "Mit
diesen Stücken begann meine Reise in die Traurigkeit", kündigte
Robin "So Slow" vom Debüt-Album "Fixed Water"
und "If Only" von "The Infinite Circle" an. Und
dann gab's die besagte Reise in die Traurigkeit auch tatsächlich.
Was nicht wirklich überraschend war, denn es ist ja letztlich
immer die Stärke von Sophia gewesen, Emotionen dieser Art zu
vertonen, ohne in vollkommene Depression abzugleiten, wie das bei
vielen Bands passiert. Auch wenn Robin auf seine neue CD mit den lauten
Stücken so stolz ist: Mit traurigen Balladen kann er so schnell
nichts falsch machen. Beim Singen hält Robin die Augen stets
geschlossen was aber einen ganz einfachen Grund hat: "Auch
wenn mir das kaum geglaubt wird", erklärte er uns das mal,
"aber jedes einzelne Mal, wenn ich einen Song singe, stelle ich
mir dabei die Personen und Umstände vor, um die es in den Songs
geht." Und das sind meist unglückliche Umstände und
allzuoft verstorbene Personen was dann wieder einiges erklärt.
Die Sache mit den Balladen nahm dann zuweilen extreme Formen an. Das
eh schon elegische "Ship In The Sand" wurde z.B. vom Tempo
her nochmals zurückgenommen, bis schließlich nur noch Robins
nackte Stimme übrig blieb. Dies war mit Sicherheit der ergreifendste
Moment des Abends, denn man konnte hier die buchstäbliche Stecknadel
fallen hören. "Wenn du einen Song, der eh schon langsam
ist dann noch mal langsamer spielst und keiner was sagt, dann machst
du ja irgendwas richtig", freute sich Robin, "obwohl ich
fast eingeschlafen bin, als ich die Solo-Passage sang..." Das
war zwar ein wenig übertrieben, deutete aber an: Je weniger Sophia
mit der musikalischen Gewalt flirteten, desto besser fluppte es. Das
Problem ist dabei nur, dass das Flirten mit der musikalischen Gewalt
ja halt nun mal auch irgendwo musikalisch Spaß macht und deshalb
gab's auch diese Variante. Da war z.B. die brachiale Soundwand von
"Desert Song #2" oder der rockende Refrain von "Within
Without", bei dem vor allen Dingen Gitarrist und Toshack-Highway-Frontmann
Adam Franklin brillierte. Und da waren natürlich auch die Zugaben,
"The River Song" und "If A Change Is Gonna Come",
bei denen sowohl Robin, wie auch Keyboarder Will Foster zur E-Gitarre
griffen und das Ganze in einem mächtigen Soundsturm zum Kollaps
brachten. Leider gehörte ausgerechnet "Oh My Love"
aber nicht zu den Höhepunkten der lauten Sophia-Phase. Der Kollege,
der zum Berliner Konzert dem guten Robin vorwarf, er habe bei dem
Stück gegen die Melodielinie gesungen, hatte damit nicht ganz
Unrecht. Mehr noch: Es war in Köln überhaupt keine Melodielinie
zu erkennen, denn das Stück war für den Live-Vortrag schlicht
falsch arrangiert. Will Foster wie auch Adam Franklin spielten bloß
die perkussiven Begleit-Ornamente (obwohl für so was doch der
mitgeführte Computer besser geeignet gewesen wäre) und Robin
selber schaltete ziemlich unsympathisch zwischen verzerrter und cleaner
akustischen Gitarre um. Letztlich sang er damit in einem lufteeren
Raum, bei dem der Charakter des Songs tatsächlich verloren ging.
Na ja das war aber so ziemlich der einzige Ausfall und
wer weiß: Vielleicht sträubte sich ja gar das Unterbewusstsein
des widerborstigen Independent-Künstlers, gerade den Hit in einer
pflegeleichten Mitsing-Variante darzubieten? Letztlich "fehlte"
bei diesem doch eher an der Historie orientierten Set eh die sonst
übliche Betonung des aktuellen Albums. Entschädigen tat
Robin hierfür dann mannigfach, indem er sich nämlich einen
zweiten Zugabenblock leistete und hier solo und akustisch tatsächlich
"Death Of A Salesman" und "Is It Any Wonder" darbot
wobei besonders ersteres für viele die erfreulichste Überraschung
des Abends dargestellt haben dürfte. Fazit: Das war ein sehr
gutes Sophia Konzert nicht aber das Bestmögliche (siehe
"De Nachten"). Allerdings musste man eine durchzechte Nacht
mindernd in Rechnung stellen, wie Adam Franklin nach der Show zugab.
Nun ja, schließlich sind auch berufsmäßige Melancholiker
letztlich nur Menschen. An der Bühnenpräsenz von Robins
Frisur gab's hingegen übrigens kaum etwas auszusetzen.
Ullrich Maurer, www. gaesteliste.de
Review 2
Gebäude9, Konzert, ausverkauft. Schon wieder. So schlecht scheint
es der Musik doch gar nicht zu gehen, ist man geneigt zu denken, jedenfalls
der Live-Sektor erfreut sich momentan höchster Beliebtheit. Im Gedächtnis
sind da noch ganz andere Zeiten, als sich eine kleine, geneigte Publikumsschar
auf die lokalen Gigs nicht minder guter Bands aufteilte und man den
Künstlern gegenüber schon ein schlechtes Gewissen hatte wegen des
so offensichtlichen Desinteresses. Diese Phase scheint zum Glück überwunden
zu sein und man geht endlich wieder raus, um eine Band zu sehen und
nicht bloß den DJ.
Wäre man gemein, könnte man die Vermutung anstellen, dass viele der
Besucher des Sophia-Konzertes in den letzten Jahren keine DJ's mehr
zu Gesicht bekommen haben, aber kaum etwas liegt mir ferner, als gemein
zu sein und so sage ich besser, dass eine Menge treuer Fans Robin
Proper-Sheppards aus God Machine- und frühen Sophia Zeiten angereist
ist, um ihm und seiner 'neunen' Band die Ehre zu erweisen.
Zunächst aber heißt es, sich in Geduld zu üben, denn als Supportact
stehen zwei Viertel von Jansen, dem neuen Projekt von Markus Maria
Jansen, Ex-Sänger von M. Walking on the Water, auf der Bühne und geben
mit Gitarre, Kontrabass, Beatbox und sich drehendem Lichterkettenschirm
recht virtuos chansonesque Nummern zum Besten, die mal mehr, mal weniger
zu gut zum Publikum durchdringen können. Der Unterhaltungswert des
Auftrittes steigert sich aber beinahe von Song zu Song, so dass der
Schlussapplaus die Grenze des Anstandsklatschens bei weitem überschreitet.
Dann aber der Hauptact. Den Anfang macht, nein, kein alter Hit, nicht
die neue Single, keine vergessene B-Seite, sondern eine Ansage des
Frontmanns, mit den Fragen, wer die Band schon länger kenne, wer nur
wegen der Single auf sie aufmerksam wurde, und dass man sich nicht
wundern solle, dass er eine 'neue' Band hat und nun langsame Songs
spielt. Langsam und ruhig sind auch die Stichworte des Abends, denn
nur ganz selten gönnt sich die Band, die sich keineswegs auf Stücke
aus ihrem neuen Album konzentriert, Ausbrüche in Sachen Dynamik, diese
aber dadurch umso mehr Gewicht und Bedeutung bekommen.
Ebenfalls fällt auf, wie wenig Bedeutung die Band scheinbar ihrer
(Hit-)Single 'Oh My Love' beimisst, denn das auf der Platte so rührende
Stück ist live die mit Abstand am lieblosesten dargebotene Nummer.
Das bleibt aber die absolute Ausnahme, denn bei den anderen Songs,
und auch in seinen Ansagen zeigt sich Mr. Proper-Sheppard sehr bewegt
und lässt sich von einem Publikum mitreißen, dass an seinen Lippen
klebt, jede Textzeile aufsaugt und in Momenten äußerster Stille keinen
Räusper wagt. Solche Momente lassen sich ganz unbescheiden als groß
bezeichnen und man ist stolz darauf, in einer Gruppe zu stehen, die
dem Künstler so viel Interesse und Würdigung entgegen bringt.
Jeffrey Kubiak, Intro Magazine, 11/03/2004
Set list
so slow
if only
are you happy now
fool
ship in the sand
desert song no. 2
every day
oh my love
within without
woman
the sea
directionless
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i left you
the river song
if a change is gonnna come...
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death of a salesman (robin solo)
is it any wonder (robin solo)
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