Review 1
robin proper-sheppard announcing the song the sea as a song he'd written
for his daughter who said that she found it too boring and too slow.
and who he disinherited as the adressee of the song. that's what i'd
call honest. his daughter was right btw. the song was unimpressive.
but i didn't care.
robin proper-sheppard who says and shows that after 15 years of playing
around with guitars he still isn't capable of tuning a guitar, that's
so simpatico.
overall i was slightly underwhelmed by the concert. on disc they sound
better but it didn't matter.
swept back, my ultimate goose-pimp song by them was nice but i really
loved when they let themselves loose at the end with the noise of
if a change is gonna come. instead of all those ballads they should
have done more noise because they know how to do it. not like lambchop
who are still virgins of noise.
alex63, musik.antville.org
Review 2
Subkulturelles Revolutionsgebaren
Mit geschlossenen Augen steht Robin Proper-Sheppard auf der ungewöhnlich
abgedunkelten Bühne des Frankfurter Mousonturms. Der Mann mit
der seitengescheitelten Frisur in Haselnußbraun und dem etwas
großporigen Teint, der ihm einen Hauch Verwegenheit verleiht,
konzentriert sich wie in Trance auf die leicht skurrilen Akkordfolgen
seines Instruments, verharrt minutenlang selbstvergessen in dieser
Pose. Die Rolle des unverstandenen, einsamen und wortkargen Singer/Songwriters
im refrainfreudigen Akustikgewand behagt dem einst aus dem sonnigen
kalifornischen San Diego ins verregnete London emigrierten Sänger,
Gitarristen und Komponisten augenscheinlich. In seiner eher unspektakulären
Persönlichkeit vereinen sich auf kongeniale Weise die traditionellen
Werte des Independent-Rock-Genres mit der tieftraurigen Poesie eines
Leonard Cohen: subkulturelles Revolutionsgebaren, egozentrisches Querulantentum
und ein ausgesprochenes Faible für nervösen Weltschmerz.
Das derzeit europaweit mit Lobeshymnen überhäufte britische
Ensemble "Sophia" steht im achten Jahr seines Bestehens
vor dem Durchbruch internationaler Anerkennung. Mit seinem aktuellen
dritten Album "People Are Like Seasons" präsentiert
das Quintett, das im Prinzip keines ist, da sich Proper-Sheppard als
Solokünstler unter Pseudonym mit wechselnden Gastmusikern versteht,
eine der schönsten und aufregendsten Veröffentlichungen
der vergangenen Jahre. Kryptisch hingepinnte Lebensphilosophie in
melancholisch verschachtelten Moll-Tonfolgen, die das tristessegetränkte
Dasein in der Hauptstadt London, der britischen Provinz und anderswo
widerspiegeln, dienen als perfektes Identifikationsmodell nicht nur
für übersensible Universitätsabsolventen, sondern einer
ganzen jungen Generation.
Maßgeblichen Anteil an dem zeitlosen Konzept, das von Duo- bis
Orchestergröße variieren kann, haben zweifellos auch Proper-Sheppards
derzeitige, namentlich nicht vorgestellte Musikerkollegen. Die schwelenden,
zwischen Mellotron-Beschaulichkeit und Kirchenorgel-Trauer variierenden
Tonfolgen des Keyboarders setzen sich mit den feinziselierten Läufen
des Bassisten, dem wuchtigen Stil des Schlagzeugers und den gegensteuernden
Farbtupfern des E-Gitarristen in wohlproportioniert tönende Synergien
um. Konventionelle Pop- und Rockmuster fusionieren in zeitlupenhaftem
Tempo zu intensiv glühenden metaphernreichen Balladen voller
Wehmut, Schmerz und Einsamkeit. Latentes Aggressionspotential trifft
auf dramatisch-schwülstige Arrangements, schillernden Popeklektizismus
und verletzliche Seelentiefe. Pure Magie und schwindelerregende Dynamik
- wie selbstverständlich halten "Sophia" die Balance
zwischen "alles wollen" und "alles können",
überraschen dann und wann sogar mit in ohrenbetäubender
Lautstärke dargebrachtem donnernden Rockstil.
Das fragile und doch maskuline Timbre Proper-Sheppards zelebriert
sich lyrisch, leise und im keuschen Sinne lustvoll. Mit eindringlichen
Visionen thematisiert er die von simpler Arrangierkunst pointiert
garnierte Poesie facettenreich und packt in seine erstaunlich europäisch
tönenden Songvignetten alles, was einen Amerikaner im britischen
Exil, zumal zu Karrierebeginn vor mehr als einer Dekade in einer düster
rockenden Gothic-Formation namens "The God Machine", geistig
bewegen mag: Traumatische Erlebnisse aus der Kindheit, den durch Tod
endgültigen Verlust ihm nahestehender Menschen, aber auch den
Werteverfall in der westlichen Zivilisation, die Bestechlichkeit in
der Politik, innerfamiliäre Konflikte, vernachlässigte Beziehungen
und tagträumerische Romanzen beschäftigen den alleinerziehenden
Vater einer Tochter, die auf den Namen Hope hört.
Kosmopolitische Reflexionen und an geheime Tagebucheintragungen erinnernde
Kleinodien, die in kammermusikalischer Dramaturgie zu einer unverwechselbaren
dreidimensionalen Klangskulptur verschmelzen: Proper-Sheppard läßt
sich von den Widrigkeiten des Lebens treiben, vom Sog der Melancholie
in einen Strudel reißen. Doch er verkrampft nicht dabei. Vielmehr
scheint er mit den Jahren die altgriechische Bedeutung seines Bandnamens
verinnerlicht zu haben. So generiert er aus dem Wissen um die Schattenseiten
des Lebens Weisheiten, die er seinem Publikum ungefiltert preisgibt.
Michael Köhler, Frankfurter Allgemeine, 24/03/2004
submitted by Heinz from www.line1.de
|