Sophia - Jan. 30 '07: Kulturzentrum Lagerhaus, Bremen (DE), with Malcolm Middleton

Setlist
I Left You
Swept Back
If Only
Where Are You Now?
Pace
Oh My Love
Everyday
Within Without
P.1/P.2 (Cherry Trees And Debt Collectors)
Lost (She Believed In Angels...)
Bad Man
Ship In The Sand
The Sea
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Birds
So Slow
The Desert Song No.2
The River Song


Review 1
In schöner Regelmäßigkeit tourt Robin Proper-Sheppard mit seiner Band SOPHIA durch unsere Lande. Und dieses Mal stand zum ersten Mal Bremen im Tourkalender. Ein paar Stunden vor dem Auftritt hatte ich noch eine halbe Stunde Zeit, um mit dem Herrn über SOPHIA und die legendäre Vorgänger Formation THE GOD MACHINE zu sprechen. Es hat nun fast 1.5 Jahre gedauert, bis mit „Technology won’t save us“ ein neues Album veröffentlicht wurde. Nicht, dass man in der Zwischenzeit untätig gewesen wäre: Fast das ganze letzte Jahr befand man sich mehr oder weniger auf Tour und spielte nebenbei zwei Alben ein. Das eine davon kann bei jedem guten Plattendealer erworben werden und das zweite wurde tragischerweise von Robin komplett gelöscht. Nicht gerade zur Freude seiner Plattenfirma. Aber dennoch bewusst, da er mit den Stücken an sich nicht wirklich zufrieden war und er wusste, dass er es wohl nur des Geldes wegen veröffentlicht hätte, was auf keinen Fall seine Intention war. Jedoch finden sich auf dem aktuellen Longplayer genug Stücke mit ausreichend Tiefgang. Wer sich mit dem Gedanken trägt, das Album zu kaufen, sollte darauf achten, die Version von Robins eigenem Label Flower Shop zu bekommen. Zur normalen Version gibt es dort noch eine Bonus CD mit akustischen Leckerbissen von neuen sowie schon etwas betagteren SOPHIA Stücken.
Nun aber zum eigentlichen Highlight des Abends: Im Bremer Lagerhaus machte MALCOLM MIDDLETON den Anfang. Eine, wie ich finde, gelungene Wahl, ihn als Unterstützung von SOPHIA mit auf den Plan zu nehmen. Die Besetzung der Band ist dabei mit nur einem Schlagzeuger und Malcolm selbst an der Akustikgitarre etwas spartanisch aber doch im Ganzen stimmig. Die Stücke fallen logischerweise sehr ruhig aus und sind somit als sanfte Einstimmung ganz gelungen.
Nach kurzer Wartezeit waren dann SOPHIA an der Reihe. Da sie einen Tag zuvor schon in Hamburg spielten, war ich mir nicht ganz sicher, ob es denn in Bremen voll werden würde. Dennoch kamen ca. 200 Leute in das damit gut gefüllte Lagerhaus. Im Gegensatz zu meiner letzten Begegnung mit der Truppe in der Hamburger Fabrik anno 2005, waren nun leider keine Streicher mit von der Partie. Schade eigentlich, obwohl auch die Bühne im Lagerhaus dafür wohl nicht ausreichend groß gewesen wäre. Trotzdem waren neben dem Meister selbst noch fünf weitere Musiker dabei. Als Robin sich nach dem ersten Stück sehr direkt über die (nicht vorhandene) Beleuchtung der Bühne beschwert hatte, ging es dann endlich richtig los. Mit ein paar älteren Stücken zum Auftakt wurde uns dann mit „Pace“, der neuesten (Promo-) Single, das erste Highlight von „Technology won’t save us“ zu Gehör gebracht. Wobei dieses Stück nicht an das folgende deutlich eingängigere „Oh My Love“ vom letzten Album heranreicht. Nach einem weiteren musikalischen Spaziergang durch Neues und Älteres landeten wir bei „Lost“. Für mich einer ihrer besten Titel, nicht nur vom neuen Silberling sondern überhaupt. Es handelt von der kürzlich verstorbenen Muter Robins und den Erfahrungen, die er während der letzten 5 Tage ihres Lebens machte. Sehr direkt und keineswegs melancholisch kommt das Stück daher. Sowohl sehr tanzbar als auch textlich sehr tiefgehend. Überhaupt: Jeder anspruchsvolle Musikliebhaber sollte sich generell einmal mit SOPHIA-Texten eingehend beschäftigen! Sie sind es Wert! Den Abschluss machte nach einer Stunde dann „The Sea“, ein bombastisches an THE GOD MACHINE erinnerndes Lied, welches bis heute nur in einer Live-Version auf Tonträger erhältlich ist.
Nach kurzer Pause legten SOPHIA noch mal vier Stücke nach, wobei „So Slow“, das Stück über den an einem Gehirntumor verstorbenen Jimmy Fernandez der „Gottes-Maschine“, für mich der Klassiker schlechthin ist. Alles in allem kann man abschließend sagen, dass SOPHIA Konzerte immer einen Besuch wert sind: Ein smarter Sänger und Kopf der Band, schöne Musik und herausragende Texte. Vielen Dank Mr. Proper-Sheppard!
Guido Rangnitt


Review 2

Nach der Auflösung von The Arab Strap bleibt Malcolm Middleton keine Sekunde untätig. Unverzagt führt er fort, was über die letzten zehn Jahre geschehen ist. Er bringt seine deprimierenden Lieder auch weiter unter die Leute. Im Vorprogramm von Sophia fühlt er sich besonders gut aufgehoben, wie er ins Mikrophon flüstert. Denn Robin Proper-Sheppards Band sei seine Lieblingsgruppe. Von einem Schlagzeuger begleitet, seine halbakustische Gitarre zupfend, vermittelt der schüchterne Schotte seine unschönen Geschichten vom Scheitern. Eine Freude inmitten der Tristesse und unzähliger exhibitionistischer Selbstanklagen bleibt der zwischenzeitlich kurz aufblitzende Humor, knochentrocken und tiefschwarz. Diesen Mann kann man in jede Kneipe stellen, er wird heftige Reaktionen hervorrufen.
Dann gibt Robin Proper-Sheppards Sophia ihr erstes Konzert in Bremen, wie der Kopf dieses Ensembles einleitend anmerkt. Gemächlich erweitert er das Repertoire seiner eventuell Band zu nennenden Sophia. Klanglich und strukturell geht die Bewegung, langsam aber konsequent vollzogen, immer weiter in ein orchestraleres, von verträglicheren Einzelteilen bestimmtes, schon auch Kitsch touchierendes, von sanfter Melodik beherrschtes Gebiet, welches nur noch sehr selten Rock zu nennen ist. Viele Jahre drängt der Sänger und Songschreiber in ein Konzert, die ganze Tragödie seines musikalischen und menschlichen Werdegangs. Nahezu gänzlich unpeinlich schüttet mit Sophia ein Mensch sein Leid über sein Publikum aus, besteht derweil weder auf Mitleid oder Trost noch auf Verständnis. Charakteristisch für diese Lieder ist es, dass sie den Schmerz betrachten, sie suhlen sich in keinem Unglück, sondern offenbaren etwas wie offene Ehrlichkeit, ohne Forderungen zu stellen.
Diese traurige Musik kann tatsächlich genossen werden, es lässt sich eintauchen in Geschichten von Einsamkeit, Trauer, Verlust, Tod, in welchen sich niemand zu verlieren braucht. Denn die zum Gegenstand des starken Unbehagens bereits vorhandene Distanz, gedanklich vollzogen und in den Liedtexten klar formulierte Bewältigung, ist dem Publikum immer schon vorausgeeilt und erwartet Interessierte, welche mit der Musik Sophias zum ersten oder zigsten Mal in Kontakt treten. Um dann nachzuvollziehen, zu verstehen, zu hinterfragen, abzugleichen und das Hoffnungsvolle in Text und Ton zu erschließen. Auch die Stimme dieser Lieder bettelt nicht um Regungen des Herzens, sie trifft verbale Entscheidungen und die richtigen Töne, auch diese klar und ohne Stützen – auf Hall verzichtet Proper-Sheppard vollständig, kaschiert nicht, sondern entblößt seine Stimme.
Das Zusammenspiel der Musiker gelingt beiläufig erhaben, frei von Allüren oder Steifheit. Vollkommen natürlich gleiten Gitarrenstimmen ineinander, kommen mit dem pathetischen Klavieranschlägen zusammen, nehmen den hintergründig wummernden Bass mit auf. Während Robin Proper-Sheppard sämtliche der menschlichen Stimme vergönnten Lautstärken berührt. Besonders ist, wie er viele letzte Silben und Wörter seiner Lyrics ausatmet. So besingt er Verwundung und Verwunderung, des Missverstehens und Unverständnisses, beklemmend und befreiend gleichermaßen. Mit bis zu vier Gitarren setzt seine Sophia nun um, was schon The God Machine, Proper-Sheppards tragisch zerstörte Band, hätte sein sollen. Sophia ist ein vielstimmig-komplex agierendes Gitarrenorchester, welches die klare Stahlsaitengitarre, deren elektrisch kratzende, harmonisch-rhythmische Ergänzung, den daran gekoppelten Tremolo- und Hall-Texturen und eine instrumentale Melodiestimme zusammenführt. Störungen, vor allem Störgeräusche, wie Feedback und rauschende Verzerrertöne, werden seltener. Wenn sie erklingen, in ihrer Unbändigkeit und Schroffheit, können sie aber ihre volle Wirkung umgehend, ja, direkt entfalten. Vor allem in den Zugaben, die einem zweiten Set gleichkommen, gibt sich Sophia entfesselt, erhebt und schwenkt die Gitarrenhälse impulsiv. Dann verebbt der Krach, nachdem soviel bestürzend traurig schöner Krach bereits war.
T. Stalling, www.bloom.de



Photos by Guido Rangnitt