Setlist
I Left You
Swept Back
If Only
Where Are You Now?
Pace
Oh My Love
Everyday
Within Without
P.1/P.2 (Cherry Trees And Debt Collectors)
Lost (She Believed In Angels...)
Bad Man
Ship In The Sand
The Sea
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Birds
So Slow
The Desert Song No.2
The River Song
Review 1
In schöner Regelmäßigkeit tourt Robin Proper-Sheppard
mit seiner Band SOPHIA durch unsere Lande. Und dieses Mal stand zum
ersten Mal Bremen im Tourkalender. Ein paar Stunden vor dem Auftritt
hatte ich noch eine halbe Stunde Zeit, um mit dem Herrn über
SOPHIA und die legendäre Vorgänger Formation THE GOD MACHINE
zu sprechen. Es hat nun fast 1.5 Jahre gedauert, bis mit „Technology
won’t save us“ ein neues Album veröffentlicht wurde.
Nicht, dass man in der Zwischenzeit untätig gewesen wäre:
Fast das ganze letzte Jahr befand man sich mehr oder weniger auf Tour
und spielte nebenbei zwei Alben ein. Das eine davon kann bei jedem
guten Plattendealer erworben werden und das zweite wurde tragischerweise
von Robin komplett gelöscht. Nicht gerade zur Freude seiner Plattenfirma.
Aber dennoch bewusst, da er mit den Stücken an sich nicht wirklich
zufrieden war und er wusste, dass er es wohl nur des Geldes wegen
veröffentlicht hätte, was auf keinen Fall seine Intention
war. Jedoch finden sich auf dem aktuellen Longplayer genug Stücke
mit ausreichend Tiefgang. Wer sich mit dem Gedanken trägt, das
Album zu kaufen, sollte darauf achten, die Version von Robins eigenem
Label Flower Shop zu bekommen. Zur normalen Version gibt es dort noch
eine Bonus CD mit akustischen Leckerbissen von neuen sowie schon etwas
betagteren SOPHIA Stücken.
Nun aber zum eigentlichen Highlight des Abends: Im Bremer Lagerhaus
machte MALCOLM MIDDLETON den Anfang. Eine, wie ich finde, gelungene
Wahl, ihn als Unterstützung von SOPHIA mit auf den Plan zu nehmen.
Die Besetzung der Band ist dabei mit nur einem Schlagzeuger und Malcolm
selbst an der Akustikgitarre etwas spartanisch aber doch im Ganzen
stimmig. Die Stücke fallen logischerweise sehr ruhig aus und
sind somit als sanfte Einstimmung ganz gelungen.
Nach kurzer Wartezeit waren dann SOPHIA an der Reihe. Da sie einen
Tag zuvor schon in Hamburg spielten, war ich mir nicht ganz sicher,
ob es denn in Bremen voll werden würde. Dennoch kamen ca. 200
Leute in das damit gut gefüllte Lagerhaus. Im Gegensatz zu meiner
letzten Begegnung mit der Truppe in der Hamburger Fabrik anno 2005,
waren nun leider keine Streicher mit von der Partie. Schade eigentlich,
obwohl auch die Bühne im Lagerhaus dafür wohl nicht ausreichend
groß gewesen wäre. Trotzdem waren neben dem Meister selbst
noch fünf weitere Musiker dabei. Als Robin sich nach dem ersten
Stück sehr direkt über die (nicht vorhandene) Beleuchtung
der Bühne beschwert hatte, ging es dann endlich richtig los.
Mit ein paar älteren Stücken zum Auftakt wurde uns dann
mit „Pace“, der neuesten (Promo-) Single, das erste Highlight
von „Technology won’t save us“ zu Gehör gebracht.
Wobei dieses Stück nicht an das folgende deutlich eingängigere
„Oh My Love“ vom letzten Album heranreicht. Nach einem
weiteren musikalischen Spaziergang durch Neues und Älteres landeten
wir bei „Lost“. Für mich einer ihrer besten Titel,
nicht nur vom neuen Silberling sondern überhaupt. Es handelt
von der kürzlich verstorbenen Muter Robins und den Erfahrungen,
die er während der letzten 5 Tage ihres Lebens machte. Sehr direkt
und keineswegs melancholisch kommt das Stück daher. Sowohl sehr
tanzbar als auch textlich sehr tiefgehend. Überhaupt: Jeder anspruchsvolle
Musikliebhaber sollte sich generell einmal mit SOPHIA-Texten eingehend
beschäftigen! Sie sind es Wert! Den Abschluss machte nach einer
Stunde dann „The Sea“, ein bombastisches an THE GOD MACHINE
erinnerndes Lied, welches bis heute nur in einer Live-Version auf
Tonträger erhältlich ist.
Nach kurzer Pause legten SOPHIA noch mal vier Stücke nach, wobei
„So Slow“, das Stück über den an einem Gehirntumor
verstorbenen Jimmy Fernandez der „Gottes-Maschine“, für
mich der Klassiker schlechthin ist. Alles in allem kann man abschließend
sagen, dass SOPHIA Konzerte immer einen Besuch wert sind: Ein smarter
Sänger und Kopf der Band, schöne Musik und herausragende
Texte. Vielen Dank Mr. Proper-Sheppard!
Guido Rangnitt
Review 2
Nach der Auflösung von The Arab Strap bleibt Malcolm Middleton
keine Sekunde untätig. Unverzagt führt er fort, was über
die letzten zehn Jahre geschehen ist. Er bringt seine deprimierenden
Lieder auch weiter unter die Leute. Im Vorprogramm von Sophia fühlt
er sich besonders gut aufgehoben, wie er ins Mikrophon flüstert.
Denn Robin Proper-Sheppards Band sei seine Lieblingsgruppe. Von einem
Schlagzeuger begleitet, seine halbakustische Gitarre zupfend, vermittelt
der schüchterne Schotte seine unschönen Geschichten vom
Scheitern. Eine Freude inmitten der Tristesse und unzähliger
exhibitionistischer Selbstanklagen bleibt der zwischenzeitlich kurz
aufblitzende Humor, knochentrocken und tiefschwarz. Diesen Mann kann
man in jede Kneipe stellen, er wird heftige Reaktionen hervorrufen.
Dann gibt
Robin Proper-Sheppards Sophia ihr erstes Konzert in Bremen, wie der
Kopf dieses Ensembles einleitend anmerkt. Gemächlich erweitert
er das Repertoire seiner eventuell Band zu nennenden Sophia. Klanglich
und strukturell geht die Bewegung, langsam aber konsequent vollzogen,
immer weiter in ein orchestraleres, von verträglicheren Einzelteilen
bestimmtes, schon auch Kitsch touchierendes, von sanfter Melodik beherrschtes
Gebiet, welches nur noch sehr selten Rock zu nennen ist. Viele Jahre
drängt der Sänger und Songschreiber in ein Konzert, die
ganze Tragödie seines musikalischen und menschlichen Werdegangs.
Nahezu gänzlich unpeinlich schüttet mit Sophia ein Mensch
sein Leid über sein Publikum aus, besteht derweil weder auf Mitleid
oder Trost noch auf Verständnis. Charakteristisch für diese
Lieder ist es, dass sie den Schmerz betrachten, sie suhlen sich in
keinem Unglück, sondern offenbaren etwas wie offene Ehrlichkeit,
ohne Forderungen zu stellen.
Diese traurige
Musik kann tatsächlich genossen werden, es lässt sich eintauchen
in Geschichten von Einsamkeit, Trauer, Verlust, Tod, in welchen sich
niemand zu verlieren braucht. Denn die zum Gegenstand des starken
Unbehagens bereits vorhandene Distanz, gedanklich vollzogen und in
den Liedtexten klar formulierte Bewältigung, ist dem Publikum
immer schon vorausgeeilt und erwartet Interessierte, welche mit der
Musik Sophias zum ersten oder zigsten Mal in Kontakt treten. Um dann
nachzuvollziehen, zu verstehen, zu hinterfragen, abzugleichen und
das Hoffnungsvolle in Text und Ton zu erschließen. Auch die
Stimme dieser Lieder bettelt nicht um Regungen des Herzens, sie trifft
verbale Entscheidungen und die richtigen Töne, auch diese klar
und ohne Stützen – auf Hall verzichtet Proper-Sheppard
vollständig, kaschiert nicht, sondern entblößt seine
Stimme.
Das Zusammenspiel der Musiker gelingt beiläufig erhaben, frei
von Allüren oder Steifheit. Vollkommen natürlich gleiten
Gitarrenstimmen ineinander, kommen mit dem pathetischen Klavieranschlägen
zusammen, nehmen den hintergründig wummernden Bass mit auf. Während
Robin Proper-Sheppard sämtliche der menschlichen Stimme vergönnten
Lautstärken berührt. Besonders ist, wie er viele letzte
Silben und Wörter seiner Lyrics ausatmet. So besingt er Verwundung
und Verwunderung, des Missverstehens und Unverständnisses, beklemmend
und befreiend gleichermaßen. Mit bis zu vier Gitarren setzt
seine Sophia nun um, was schon The God Machine, Proper-Sheppards tragisch
zerstörte Band, hätte sein sollen. Sophia ist ein vielstimmig-komplex
agierendes Gitarrenorchester, welches die klare Stahlsaitengitarre,
deren elektrisch kratzende, harmonisch-rhythmische Ergänzung,
den daran gekoppelten Tremolo- und Hall-Texturen und eine instrumentale
Melodiestimme zusammenführt. Störungen, vor allem Störgeräusche,
wie Feedback und rauschende Verzerrertöne, werden seltener. Wenn
sie erklingen, in ihrer Unbändigkeit und Schroffheit, können
sie aber ihre volle Wirkung umgehend, ja, direkt entfalten. Vor allem
in den Zugaben, die einem zweiten Set gleichkommen, gibt sich Sophia
entfesselt, erhebt und schwenkt die Gitarrenhälse impulsiv. Dann
verebbt der Krach, nachdem soviel bestürzend traurig schöner
Krach bereits war.
T. Stalling, www.bloom.de
Photos by Guido Rangnitt
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