Sophia (Robin solo) - May 30 '10: Fachwerk, Münster (DE)


Review 1
Nein, Sophia ist keine Sängerin, sondern das musikalische Projekt von Robin Proper-Sheppard, der momentan alleine mit seiner Gitarre auf Tour ist und ein paar seiner Stücke vorträgt. Für mich eine völlig neue Erfahrung, war ich doch bisher nur auf Rockkonzerten, bei denen man, im Schweiße seines Angesichts, hüpft, tanzt und feiert, was das Zeug hält. Gestern, als ich mich mit einer Freundin am Fachwerk Gievenbeck in Münster eingefunden habe, fanden wir nicht etwa einen gefüllten Konzertsaal samt Bühne und Lichttechnik vor, sondern einen ganz normalen Raum, in welchem in einigen Reihen Stühle aufgestellt waren, die auf ein Mikro ausgerichtet waren, welches einsam vor einer aufgestellten Stoffwand mit dem Motiv des aktuellsten Sophia-Albums stand und auf seine Benutzung wartete. Das Publikum war derweil gemischt: Junge, wie alte Menschen, aber eigentlich alle in Alltagskleidung, meistens zu zweit oder in kleinen Grüppchen. Alles lief dabei völlig entspannt, kein Gedrängel, kein Geschubse, auch nicht, als wir eingelassen wurden. Zu dem Zeitpunkt waren ohnehin vielleicht 25 Leute anwesend und diese Zahl hatte sich im Laufe des Einlasses vielleicht etwas mehr als verdoppelt. „Während der Vorstellung nicht aufs Klo gehen.“, hieß es, als ich den Stempel auf die Hand gedrückt bekam, „Warum denn?“ – „Zu laut.“
Wir gingen hinein und der Raum war in angenehmes, gedämmtes Wohnzimmerlicht getaucht. Obwohl wir nicht die geringste Ahnung hatten, was uns erwarten könnte – es hätte genauso gut die allergrößte Grütze sein können und uns hätte es nicht überrascht – wagten wir uns in die erste Reihe, und zwar genau in die Mitte, vielleicht einen Meter von dem Mikrofon entfernt. Gewagt? Ach was, man sollte seine Chance, einen guten Platz zu ergattern, eben immer ergreifen. Und bereut haben wir es ohnehin nicht.
Nach einer kurzen Wartezeit, in welcher wir uns mit einigen Sitznachbarn unterhielten, erschien dann Robin mit seiner Gitarre. Kein großer Auftritt. Er kam aus einer Tür heraus, wirkte auf seine Art beinahe ein wenig verloren mit seinem halblangem zerzaustem Haar, dafür aber wie geleckt sauberen schwarzen Lackschuhen. Wir witzelten noch, dass er wahrscheinlich zu spät sei, weil er seine Schuhe noch polieren musste, als er sie einfach mit den Worten „It’s a bit hot in here…“ auszog und beiseite legte. In Wirklichkeit strahlte Robin ab diesem Moment aber eine wirklich ansteckende Portion Ruhe aus. Zur Begrüßung erklärte er, dass jedes Konzert der Tour aufgenommen wird und man seine Email-Adresse hinterlassen konnte, um kostenlos einen Downloadlink zu erhalten. Außerdem sei das Mikrofon ein ganz besonderes, denn es nehme alle Umgebungsgeräusche genauso auf, wie seine eigene Stimme, weshalb man vielleicht nicht rülpsen sollte, auch, wenn es, wie Robin witzelte, wohl Leute gibt, die im nachhinein sagen würden: „Yay, my burp is on the record!“
Als das geklärt war, kündete er sein erstes Lied an: „This is called ‘Heartache’“. Es herrschte beinahe vollkommene Stille, aber ich konnte mir ein unterdrücktes „Yay!“ einfach nicht verkneifen. Er schaute mich an und meinte, er fände es gut, dass sich mal jemand über seine Songs freuen würde. Ermutigt rief ich nochmal ein bisschen lauter „Yaaaaay!“ und er stimmte die erste Ballade des Abends an – ich war hin und weg.
Wie schon erwähnt, war es das erste Mal, dass ich diese Erfahrung gemacht habe. Einfach einem charismatischem Sänger zuzuhören, wie er alleine, eben nur mit Gitarrenbegleitung, seine Songs präsentiert ist, nun ja, ein schönes Gefühl eben. Und nach dem ersten Song waren jegliche Zweifel über das Konzert wie weggeblasen.
Vor fast jedem Song hat Robin eine kleine Geschichte erzählt. Über sein Leben oder wovon der nächste Song handelt. Obwohl er immer wieder ausgedrückt hat, wie down er eigentlich ist, wie wenig er vom Leben hält und wie traurig die Welt um ihn herum eigentlich ist, abgesehen von seiner Tochter, waren diese Geschichten meistens zum brüllen komisch und er brachte sein Publikum nicht selten zum lachen. Ich hatte ihm dabei natürlich, weil ich einfach nie die Klappe halten kann, ebenfalls mit meinem „Yay“ eine kleine Anregung gegeben, denn ich wurde ab sofort dazu verpflichtet, bei den folgenden Songs ebenfalls ein kleines „Yay“ von mir zu geben, bis er irgendwann meinte, zum nächsten Song würde ein Yay nicht passen, weil er eigentlich viel zu traurig sei. Die Antwort von mir war ein „Ohhh“, woraufhin er meinte, ich müsse ab jetzt immer auf sein Gesicht achten und wenn er traurig guckt „Ohhh“, wenn er aber fröhlich guckt „Yaaay!“ rufen. Weil er das für zu kompliziert hielt, hat er spaßeshalber das Publikum in eine „Yay“- und eine „Ohhh“-Seite aufgeteilt. Daran hat sich selbstverständlich niemand gehalten, war eben nur Spaß, aber doch sehr unterhaltsam.
Aber trotz all der Witzeleien herrschte schon bald eine, natürlich auch durch die meist negativen Songtexte beeinflusste, melancholische Grundstimmung, die ihren Höhepunkt erreichte, als er von seinem ehemaligen Freund und Bandkollegen (er war vorher in der Band „The God Machine“) erzählte, der an einem Gehirntumor gestorben ist, und daraufhin seinen Song „So Slow“ vortrug. Ich weiß auch nicht, aber irgendwie hat mich das wirklich berührt. Ich meine, ich habe den Menschen nicht gekannt, niemals gesehen, wusste vorher nicht einmal etwas von ihm und, auch wenn das jetzt zynisch klingt, es sterben tausende Menschen an Tumoren, ohne dass es mir auch nur ansatzweise nahe geht. Als Robin Proper-Sheppard aber von seinem toten Freund erzählte, erzählte wie er gestorben war und was er dabei gefühlt hatte, wie unfair er es fand, dass sein lebensfroher Freund von ihm ging, und dann „So Slow“ sang, einen Song, den ich zwar vorher schon kannte, von dem ich aber nicht wusste, was er wirklich für eine Bedeutung hat, musste ich mich wirklich beherrschen, um nicht in Tränen auszubrechen.
Später hellte er die Stimmung wieder etwas auf und als er seine Gitarre für seinen vorletzten Song (auch wenn ich glaube, dass er, wären die Umstände nicht so gewesen, noch mehr gespielt hätte – was mir auch von einem anderen Konzertbesucher bestätigt wurde, der meinte, dass es Stimmungsabhängig war, wie lange die Sophia Konzerte gingen) nachstimmte, riss ihm die G-Saite. Die Ironie spielte mit. Er sagte, der einzige Song, für den er nur zwei Strings brauche, hieße ironischer Weise „Leaving“ und eigentlich wollte er „There are no Goodbyes“ spielen. Er probierte es aber aus, letzteres mit den oberen drei Saiten zu spielen, was einiger Maßen ging, deswegen spielte er zum Schluss einfach beides und verabschiedete sich, was mit einem lang andauerndem Applaus kommentiert wurde.
Robin kam danach zum Merchandise-Stand, wo man sich, wenn man wollte, mit ihm noch unterhalten konnte. „Ah, the girl from the front row!“, begrüßte er mich und unterschrieb auf meinem neu erworbenem Album „technology won’t save us“ mit „For Jasmin, The girl in the front row CENTER“ :] Dann gabs einen Knuddler (denn er war ja so down) und ein Foto. Er wünschte uns noch eine gute Fahrt, mir viel Glück für die Englischklausur, die ich heute geschrieben habe, und sagte, vielleicht würde er ja nächstes mal in Dortmund spielen, damit wir nicht so weit fahren müssten (na, hoffentlich). Dann wurden wir von ein paar netten Duisburgern nach Hause gefahren, damit wir zu dieser Zeit nicht noch mit Bus und Bahn nach Hause fahren mussten. Seeeeehr, sehr freundlich. An dieser Stelle auch ganz liebe Grüße :]
Also, ein sehr gelungener Abend und definitiv nicht mein letztes Sophia Konzert!
Dr
acia, dracia.wordpress.com, 31/05/2010


Review 2
Die Decke ist mit dunklem, massivem Eichenholz verkleidet, der Eingangsbereich zugehängt mit schwarzen Samt, an den Wänden steht eine Reihe flackernder Kerzen. Das Café des Fachwerk Gievenbeck ist dem Anlass entsprechend hergerichtet: Robin Proper-Sheppard, Kopf und Produzent der Indie Band Sophia gibt ein exklusives Akustikkonzert.
Der Amerikaner ist allein gekommen. Ohne Band, aber mit Gitarre. Ohne Schuhe, aber mit Socken. Ohne Allüren, aber mit bewegenden Geschichten.
Wer in der ersten Stuhlreihe sitzt, ist fast hautnah dabei: Sanft streicht das Plektron über die Saiten, die ersten Töne erklingen. Zugegeben, die meisten Songs sind einfach gehalten, bestehen nur aus wenigen Akkorden. Nicht so die Texte, denn die Themen, die Robin Proper-Sheppard verarbeitet, sind ebenso gehalt- wie leidvoll. Gerade in den Minuten zwischen den Songs kehrt der Singer-Songwriter sein Innerstes nach außen – und gibt offen zu, hauptsächlich über gebrochene Herzen und den Tod zu schreiben.
Die Anwesenden lernen einen Mann kennen, der viel erlebt hat. Mit ehrlichem Schwermut und geschlossenen Augen berichtet er von Phasen bitterer Einsamkeit und tiefer Trauer. Er erzählt, wie er den tragischen Tod seines ehemaligen Bandkollegen und Freundes Jimmy Fernandez mit ansehen musste; beschreibt, wie er die letzten Tage am Krankenbett seiner vom Krebs geschwächten Mutter verbrachte. Sie sei stets gesund gewesen und dann so plötzlich gestorben – an und mit gebrochenem Herzen. Wer in das Gesicht dieses einsamen Mannes blickt, der weiß: Ihren Verlust hat er noch lange nicht verkraftet.
Doch der mittlerweile in London lebende Sänger hat auch Hoffnung – vielleicht gab er deshalb seiner Tochter den Namen „Hope“. Sie ist der Lichtblick in seinem Leben und der dieses traurig-schönen Abends. Als Robin Proper-Sheppard verrät, dass sein pubertierendes „Mäuschen“ ihm nur auf SMS antwortet, wenn Papa ihr ein neues Kleid kaufen soll, kann sich niemand eines Lächelns erwehren.
Toorben, toorben.lima-city.de, 31/05/2010


Photos by Toorben
















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