Sophia (Robin solo) - Dec. 13 '10: Karlstorbahnhof, Heidelberg (DE)

Set list
1. Is It Any Wonder
2. Heartache
3. Swept Back
4. Ship In The Sand
5. Birds
6. Something
7. Where Are You Now
8. I Left You
9. Oh My Love
10. If A Change Is Gonna Come
11. The Desert Song No. 2
12. I Can't Believe The Things I Can't Believe
13. So Slow
14. Lost
15. Another Trauma
16. Directionless
17. There Are No Goodbyes


Review
Seelen-Striptease mit Sophia
Songwriter Robin Proper-Sheppard begeistert bei Solo-Akustik-Show im Karlstorbahnhof
Manchmal scheint es so, als ziehe Robin Proper-Sheppard das Unheil geradezu magisch an. Der vielleicht Traurigste unter den Songwritern, die dieser Tage unterwegs sind, hat sich den Magen verdorben. Am Abend vorher in Essen musste er fast kapitulieren, doch beim Auftritt im Heidelberger Karlstorbahnhof geht es dem nach London ausgewanderten Kalifornier wieder besser. "Ich habe extra für Euch heute den ganzen Tag nichts gegessen", sagt der Mann hinter Sophia - und zieht seine weißen Lackschuhe aus.
Keine Nebengeräusche sollen die intime Wohnzimmer-Atmosphäre seiner akustischen Sitzplatz-Konzerte negativ beeinflussen. Sophia solo, das ist die reduzierte Variante eines schonungslosen Seelen-Striptease. "Ich kann nicht gewinnen. Das ist offenbar die Geschichte meines Lebens", sagt Proper-Sheppard. Jedes seiner fünf Alben, die er als Sophia aufgenommen hat, dreht sich um eine große Liebe, die schließlich doch nicht funktioniert: "Und es wurde von Mal zu Mal schlimmer."
Wenn der Schlaks aus San Diego mehr Glück in seinen Beziehungen gehabt hätte, müsste die Pop-Welt allerdings auf einige der anrührendsten Herzeleid-Lieder überhaupt verzichten. "Ship In The Sand" ist so ein grandioses, emotionales Stück an der Grenze zum Selbstmitleid, in dessen Verlauf Proper-Sheppard sich an einer Stelle A-Capella fast selbst beschwört: "Akzeptiere die Dinge, die gescheiterte Liebe mit sich bringen, und projiziere sie nicht auf jemand anders." In diesen Gänsehaut-Momenten könnte man im voll besetzten Saal eine Stecknadel fallen hören - es herrscht eine für Pop-Konzerte untypische nachdenkliche Stille, während der Sophia-Songwriter seine wehmütigen Weisen singt.
Zwischendurch erzählt Proper-Sheppard viel, zum Beispiel die tragische Geschichte von Jimmy Fernandez, seinem ehemaligen Kollegen bei der 90er-Alternative-Kultband The God Machine, der plötzlich an einem nicht erkannten Gehirntumor stirbt. In "So Slow" hat er ihm ein musikalisches Denkmal gebaut. Sophias Rock-Wurzeln lassen sich in dem riffbetonten "If A Change Is Gonna Come" und dem hymnischen "Desert Song No. 2" erahnen, die in der Version mit voller Band fast wie God-Machine-Songs klingen, aber auch akustisch Kontrapunkte zur melancholischen Grundstimmung setzen.
Über zwei Stunden dauert Proper-Sheppards bis an die Schmerzgrenze ehrliche Therapie in Konzertform, die das Publikum begeistert. Aber in all der Traurigkeit gibt es für den Wahl-Londoner auch Licht am Ende des Tunnels. In "Directionless" singt er voller Zuversicht über seine Tochter. Sein heute 14-jähriges Kind heißt "Hope", Hoffnung.
Alexander Müller, Mannheimer Morgen, 15/12/2010