Sophia (Robin solo) - Dec. 14 '10: Walhalla Spiegelsaal, Wiesbaden (DE) |
Review 1 Der Sänger, der in der Kälte steht Robin Proper-Sheppard alias «Sophia» spielte ein winterliches Konzert im Spiegelsaal des Wiesbadener Walhalla-Studios. «People Are Like Seasons» heißt das bislang beste Album der US-Formation «Sophia». Wenn dieser Vergleich stimmt, Menschen also tatsächlich den Jahreszeiten ähneln, dann steht Sänger, Gitarrist und Bandkopf Robin Proper-Sheppard für den Winter. Kälte und Einsamkeit sind die bestimmenden Themen seiner Songs, Moll deren dominantes Tongeschlecht. So passte es, dass der Wahl-Londoner nun, da Väterchen Frost Deutschland und damit auch Wiesbaden fest umklammert hat, in der vereisten Landeshauptstadt gastierte. Zwar steht «Sophia» auf dem Plakat, das das Konzert bewirbt. Doch sind die Begleiter Proper-Sheppards diesmal daheim geblieben. Der schwarz gekleidete Kalifornier, ohnehin unumstrittener Chef der Gruppe, musiziert alleine auf der kleinen Bühne des barocken Spiegelsaals. Es wirkt, als seien die Lieder in ihrer Kargheit extra für diesen Raum geschrieben worden. Interieur und Musik beschwören die Vergangenheit und kennen keine Zukunft. Hier der bedrohlich tief hängende, wuchtige Kronleuchter, die himmelblaue, ornamental umrahmte Decke, der blattgoldene Stuck an vergilbten Wänden. Dort der getragene Gesang, die traurig geschlagenen Akkorde auf der Westerngitarre, all die Geschichten über das kleine Glück und die große Trauer, die keinen anderen Schluss zulassen als: «Life is a bitch and then you die». Subtil ist das nicht. Will Oldham etwa, ein ähnlich rast- wie trostloser Liedermacher, findet poetischere Bilder für erlittene Seelenschmerzen – und die zwingenderen Melodien. Doch Proper-Sheppard, der im Gespräch mit dem Publikum durchaus eine humorvolle Seite offenbart, gelingt es, sich beim Soloauftritt zum dunklen Kern seiner Stücke vorzuarbeiten und ihnen so mehr Ausdruck zu verleihen als mit einer ganzen Band im Rücken. Von Alexander Köhn, Nassauische Neue Presse, 16/12/2010 Review 2 Er singt, „weil es so ist“ Robin Proper-Shepard bringt seinen Schmerz auf die Bühne Bei den schwermütigen und oft traurigen Texten drängt sich die Frage auf, ob der Folk-Sänger Robin Proper-Shepard überhaupt fröhlich sein kann. Fröhlich wäre für den Wahl-Londoner aus Kalifornien wohl auch der falsche Ausdruck. Amüsant-sarkastisch träfe es wohl eher. Bei seinem Konzert im Wiesbadener Walhalla brachte er unter dem Bandnamen „Sophia“ am Dienstagabend jedenfalls seine gut 50 Zuhörer mit Anekdoten oft zum Lachen. Mit seiner melancholischen Musik zwischen den Lachern erzeugte Robin Proper-Shepard andächtige Empathie. Ein Aufsteller mit aufgedruckter Tapete ziert die Bühne im Spiegelsaal des Walhalla-Studios. Ebenfalls aufgedruckt ist ein Heizkörper. Von einem alten Tonbandgerät kommt ruhige Musik, gedämpftes Licht liegt im Saal. Eine wohnliche Atmosphäre, passend zum Namen der Tour: „At Home with Sophia“. Dann betritt ein hagerer Mann im schwarzen Hemd mit Gitarre unter Beifall die Bühne. Er zieht seine weißen Lederschuhe aus und fängt an zu spielen. Wenn er spielt, mag es stellenweise klingen wie eine Ansammlung abgedroschener Ausflüchte und Anschuldigungen eines egozentrischen Drifters, der sein Image als permanent verletzter, unzufriedener und todessehnsüchtiger Außenseiter inszeniert. Aber wenn man ihm zusieht, wie er seine Songs über Leid, Verlust, Schmerz und Selbstzweifel vorträgt, merkt man, dass er es ernst meint. Eine Freundin habe ihm einmal gesagt, er solle nicht immer so schlimme Sachen über sich sagen, erzählt Robin Proper-Shepard. „Wenn ich in meinen Liedern sage, dass ich ein neurotischer, eifersüchtiger, progressiver, zwanghafter und unsicherer Mensch bin, dann sage ich das, weil es so ist“, verrät er. Mit geschlossenen Augen und verzerrter Mimik singt er seinen Schmerz in den Raum. Er wiegt sich hin und her, weniger zur Melodie seines Spiels als zum nachdenklichen und wehmütigen Inhalt seiner Texte. Seine emotionsgeladene Stimme überschlägt sich oft, aber bei ihm es kommt auch nicht auf die gesangliche Treffsicherheit an. Er bringt rüber, was er sagt. Sein Gitarrenspiel pendelt von dezent angedeutet bis psychodelisch wild und untermalt die erzeugten Stimmungen. „Das nächste Lied habe ich geschrieben, als mein Herz gebrochen war“, erklärt Proper-Shepard. „Surprise, surprise“, scherzt er. Das Publikum muss lachen, er selbst auch. Er korrigiert sich: „Als es am gebrochensten von allen Malen war.“ Andere Lieder handeln vom Tod. Dem seiner Mutter, die immer ein lebensfroher Mensch gewesen sei und dann plötzlich an Krebs starb. Oder von dem seines Bandkollegen aus seiner ersten Band „The God Machine“, der an einem Hirntumor „groß wie ein Tennisball“ starb. „Der Song schildert mein Gefühl der Schuld, weil der Tod sich die nimmt, die am Leben hängen. Er verschont die, die bereit für ihn sind“, sagt Proper-Shepard. Und er singt über sich selbst, über seine Unzulänglichkeiten, seine Selbstzweifel. Am Ende spielt er ein Lied eines anderen Musikers, der vor seiner Zeit aus dem Leben gerissen wurde: „Jealous Guy“ von John Lennon. „Ich ärgere mich, dass ich dieses Lied nicht selbst geschrieben habe, denn ich habe die Worte sicher schon eine Million Mal selbst gesagt.“ Christian Struck, Wiesbadener Tagblatt, 16/12/2010 Photo by wita/Paul Müller Photos by Frank Meißner |