Sophia (Robin solo) - Dec. 11 '10: Schlachthof, Kassel (DE)


Review
Hysterische Melancholie: Trauerarbeit mit Sophia im Schlachthof
Kassel. Es war mit allem zu rechnen, als Robin Proper-Sheppard die Bühne im Kasseler Schlachthof betrat, nur nicht mit einem Witz. Seit Jahren macht der gebürtige Kalifornier mit seiner Band Sophia die traurigste Musik, die man sich vorstellen kann. Zu Moll-Akkorden singt er über kleine und große Katastrophen, vor allem über den Tod.
Wer nur die Lieder kennt, fragt sich: Kann dieser Mann überhaupt fröhlich sein? Als Proper-Sheppard dann aber auf der Bühne steht, sagt er: „Oh, ich habe mein Bier vergessen.“ Da lachen die 90 Zuschauer im ausverkauften und bestuhlten Kulturzentrum. Erst nachdem der Wahl-Londoner die Flasche geholt hat, beginnt sein intimer Abend voll melancholischer Hysterie.
„At Home With Sophia“ nennt der 42-Jährige seine aktuelle Solo-Tour, auf der er die traurigen Sophia-Songs nur mit Akustikgitarre vorträgt, was sie noch trauriger macht. Es hätte ein ziemlich schwermütiger Abend werden können, aber Proper-Sheppard versteht es, das Schwere ganz leicht zu machen. Und manchmal kann man darüber sogar lachen.
Für seine Musik, die mit jedem Sophia-Album opulenter instrumentiert wurde, braucht er lediglich ein altes Studiomikro, das seiner Stimme eine großartige Raumatmosphäre verleiht, und eine Gitarre, die leider „keine Rock’n’-Roll-Gitarre“ sei, wie das Ex-Mitglied der Metalband The God Machine sich entschuldigt.
Die Songs handeln von zerbrochener Liebe, vom Tod des God-Machine-Bassisten Jimmy Fernandez und seiner ebenfalls an Krebs gestorbenen Mutter. Dazwischen erzählt Proper-Sheppard, wie Fernandez einen tennisballgroßen Tumor bei sich entdeckte, und er schildert das Leiden seiner Mutter, ehe er die „nächste reizvolle, fröhliche Nummer“ ankündigt.
Das ist ergreifend, und man lernt, dass Trauern auch heißt, dankbar zu sein für die guten Zeiten. Am Ende gibt es den längsten Applaus der gesamten Tour, wie Proper-Sheppard versichert: „Rock on fuckin’ Kassel.“ Es klingt nicht wie ein Scherz.
Hessische/Niedersächsische Allgemeine Zeitung, 12/12/2010